1. Arena-Festival
Mit: Mother's Finest, Status Quo, Fish, Saga, Magnum, Asia

Heft 08/1990
Metal Hammer

Petrus wirkte unentschlossen. "Wasser marsch oder nicht", mag er gegrübelt haben. Die Wolken über der alten Radrennbahn im Ost-Berliner Stadtteil Weißensee ließen ihm alle Möglichkeiten, doch am Ende hatte er ein Ein sehen und ersparte den knapp 10.000 Besuchern die drohende Schlammschlacht.

Als erste gingen Asia auf die weiträumige Bühne und gaben ihre Mega-Hits vom Anfang der 80er Jahre zum Besten. Der Überraschungseffekt hielt sich in Grenzen, doch die Band war augenscheinlich froh, nach langjähriger Pause überhaupt wieder vor großem Publikum spielen zu können. Negativ zu Buche schlug das wirklich erbärmliche Drum-Solo von Carl Palmer in "Only Time Will Teil", so etwas Ideenloses habe ich lange nicht mehr gehört. Der für sein Alter recht frisch wirkende Bandgründer und Bassist John Wetton (41) teilte sich den Job am Mikro mit dem langen Pat Thrall (ex-Pat Travers, ex-Hughes/Thrall), der möglicherweise demnächst festes Mitglied bei Asia wird. Am Ende stand natürlich, wie sollte es anders sein, der Monster-Hit "Heat of the Moment", der einen soliden Set beendete.

Immer noch zogen graue Wolken den Himmel herauf, als gegen 17 Uhr Magnum die Bretter betraten. Der Großteil ihres Gigs entstammte dem "WINGS OF HEAVEN"-Album, doch es gibt auch Neues von den Melodic-Rock-Maestros zu vermelden. Sie spielten "Rockin' Chair", die neue Single von der kommenden LP und auch "No Way Out". Beide Titel haben Russ Ballard als Co-Autoren und sind im Stil sehr amerikanisch und absolut hitverdächtig. Magnum überzeugten einmal mehr durch ihre Souveränität. Sänger Bob Catley war ausgesprochen gut bei Stimme und hatte sofort einen guten Draht zum Publikum. Wie immer stand Tony Clarkin unbewegt und scheinbar emotionslos auf dem rechten Bühnenrand und entlockte seiner Gitarre die hymnischen, leicht pathetischen Melodien, das Magnum-Markenzeichen. Was geht wohl hinter diesem Bart und unter dem breitkrempigen Hut vor sich? Jedenfalls war der Auftritt um die beiden Rock-Zwerge Clarkin/Catley ein Höhepunkt des Festivals, der sogar die Sonne bewog, das Grau zu durchbrechen und uns auf den Leder-Pelz zu scheinen.

Vom Höhepunkt zum Tiefpunkt. Völlig ohne Schuld der Gruppe mißglückte Sagas Auftritt total - ihre Keyboard-Technik trat in den Dauer-Streik. Doch alle Achtung, die Kanadier ließen sich nicht verdrießen und machten das Beste draus. Kein Wunder, daß das neue Material der vom Pech verfolgten Band um Sänger Michael Sadler lediglich höflich beklatscht wurde. Als sie dann endlich ihre Ohrwürmer wie "The Flyer" oder "On the Loose" vom Stapel ließen, machte der Jubel deutlich, wie beliebt Saga, vor allem in der DDR, sind.

Nach einer gebührenden Umbaupause folgte Fish und warf seine musikalischen Köder aus. Der große Dicke trug einen grün-schwarz karierten Anzug und bestach von Anfang an durch seine Beweglichkeit und seine überragenden Deutsch-Kenntnisse. Der Mann erzählt ganze Geschichten auf Deutsch, zum Beispiel jene über die Leute, die einen in der Kneipe durch ihr penetrantes Gelaber gerade dann stören, wenn man in aller Ruhe sein Bierchen schlabbern will. Genau diese Nervis bilden das Thema seiner neuen Single "The Company", die er anschließend in bissigem Tonfall vortrug.

Zu Beginn sang er einige Lieder seiner Solo-LP ("Vigil", "Big Wedge", "State ofMind"), um sich dann später ausschließlich altem Marillion-Material zuzuwenden. Musikalisch hielt sein Songschreib-Partner und Keyboarder Micky Simmons die Fäden in der Hand und auch Drummer Mark Brzezicki beeindruckte durch die variable Handhabung seines monströsen Schlagzeugs. "Punch & Judy", "Kayleigh" und "Heart of Lothian" durften nicht fehlen. Der Genuß am letztgenannten Stück wurde mir allerdings durch eine üble Prügelei zweier Biker-Gruppen zerstört. Warum hauen sich diese Typen nicht in den Senioren-Staffeln örtlicher Voll-Kontakt-Karate-Clubs oder schlagen sich privat irgendwo im Wald die Birne ein? Muß es denn ausgerechnet vor meiner Nase sein? Sei's drum, der lange Schotte hatte das Publikum jedenfalls am Haken. Die Reaktion der Fish-Fans war enthusiastisch und so durfte er als einziger Act des Abends zwei Zugaben geben.

Der eigentliche Headliner trat als vorletzter auf: Status Quo. Ihr simplizistischer Boogie-Rock begeistert die Massen nach wie vor. Und Rossi, Parfitt und Co. scheinen immer noch Spaß an den Nummern zu haben, die sich ähneln wie ein Ei dem anderen. Den Quo-Liebhabem war das jedoch völlig egal, sie klatschten, wippten, tanzten, das Bier floß in Strömen und alles gröhlte mit. Wenn die Alt-Herren-Riege ihre Hits etwas langsamer spielt, eignen sie sich übrigens hervorragend zum Schunkeln, wie man sehen konnte...

Der Schluß-Akt blieb Baby Jean Kennedy und ihren Mother's Finest vorbehalten. Gerade die neuen Funk-Rock-Reißer der Band aus Georgia hatten es in sich, die rollenden Grooves von Bassmann Wizard gekoppelt mit den heavy Drums von Dean Derek gingen sofort ins Blut. Baby Jean ist nach wie vor eine Augenweide, die ihr Publikum auf Touren bringt, wie kaum eine andere Performerin. Sie hat einfach Klasse, ist offen, direkt und sexgeladen. Leider litt die Show darunter, daß MF zu viele alte Titel brachten, die auf ihren Platten wesentlich besser klingen.

Fazit: Alles in allem war es ein Festival, bei dem zu viele Bands antraten, die ihren künstlerischen Zenit bereits' überschritten haben. Dabei gibt es doch so viele junge, hungrige Rockbands, die nur darauf brennen, uns den hier so schmerzlich vermißten Adrenalin-Stoß zu verpassen....

 

 

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