Interview vom 18.03.2003, Melodic Journey 2003 mit Michael Sadler von SAGA

SAGA, die sich ohne Frage zu den ganz großen im Rockgeschäft zählen lassen dürfen, sind mit ihrem neuen Album ‟šMarathon‛ gerade auf Tour. Was die Herren um Sänger Michael Sadler live drauf haben, ist jedem, der sie schon mal in Aktion erleben durfte, bekannt. Ich habe mir sagen lassen, die Jungs haben nichts verlernt. Für Melodic Journey ergab sich die Gelegenheit, Michael Sadler am Telefon nach seinen Eindrücken von der Tour und zu anderem zu befragen.

Melodic Journey: Hallo Michael! Ihr seid gerade auf Tour auch in Deutschland. Was kannst Du uns bisher von den Gigs berichten? Bist Du zufrieden?

Michael: Bis jetzt waren die Auftritte wirklich exzellent. Besser, als ich es erwartet hatte. Wir spielen immer wieder gerne in Deutschland, gerade auch, weil wir hier sehr viele Freunde haben. Faszinierend war, dass sehr viele junge Leute zu den Auftritten kamen. Eine Art ‟šNew Generation‛ wächst da heran. Und das ist für mich sehr ermutigend.

Melodic Journey: In einigen Interviews hast Du gesagt, dass es für Dich sehr wichtig ist, live zu spielen. Was ist wichtiger: Ein neues Album zu machen oder die Songs live auf der Bühne zu performen ?

Michael: Das kommt darauf an. Kurz vor dem Abschluss der Arbeiten zu einem neuen Album kann ich es kaum erwarten, auf Tour zu gehen. Wenn ich zwischen beidem wählen müsste, würde ich mich wohl für die Live-Auftritte entscheiden. Das ist meine große Leidenschaft. Geld, das Du mit einem neuen Album machst, gibt dir erst die Chance dazu, aufzutreten. Das ist ein Aspekt. Aber nur bei den Auftritten, in oft mehr als 2 Stunden Show, kann ich dem Publikum etwas zurückgeben. Das ist der größte Lohn für mich.

Melodic Journey: Dann könnte man sagen, Du wärst nicht der selbe, ohne das Publikum ?

Michael: Ja wir alle wären gar nicht hier, ohne Publikum.

Melodic Journey: Kommen wir zum neuen SAGA-Album Marathon. Für mich ist Marathon wie auch schon der Vorgänger ‟šHouse of cards‛ ein weiterer Schritt zu den älteren Werken von SAGA. Das sieht man beim Artwork und man hört es auch. Sagen wir es so: ‟šRemember the 80s‟¦‛ (‟¦erzeugt ein Lachen von Michael‟¦). War dies von Anfang an so geplant ?

Michael: Ich glaube das war uns allen gar nicht so bewusst. Als wir in‛s Studio gingen, hatten wir diese Intention nicht. Ich habe diese Frage in letzter Zeit öfter gestellt bekommen. Wenn ich drüber nachdenke glaube ich nicht, dass wir mit unserem Sound in die 80er zurückgekehrt sind. Zumindest nicht im Sinne von ‟šaltmodisch‛. Wir klingen, wie SAGA 2003 nach unserem Empfinden klingen sollte. Wenn unser Sound sich den älteren Platten annähert, dann ist das nicht unbedingt gewollt. Eher ein Unfall‟¦ (lacht‟¦) ‟¦oder auch einfach nur natürlich.

Melodic Journey: Wie lange hat es gedauert, Marathon zu realisieren von der Idee über das Songwriting bis zur eigentlichen Aufnahme?

Michael: Es dauerte etwa 1 ½ Jahre, um Marathon zu produzieren. Allerdings sind hier auch Pausen enthalten, die man bei der Entwicklung eines Albums einfach braucht, um Abstand zu der Sache zu gewinnen. Würde man diese Pausen abziehen, wäre man wohl bei einer Produktionsdauer von 10-11 Wochen. Also hätten wir sicher auch schneller produzieren können. Doch wir legen alle Wert darauf, auch Zeit für andere Dinge zu haben (Privates, Familie, z.B.) und sich zwangsläufig mehr Zeit für das Album nehmen zu können. Wir müssen uns da keinen Stress machen.

Melodic Journey: Für mich klingt Marathon experimenteller als z.B. ‟šHouse of cards‛. Siehst Du das auch so ?

Michael: Vielleicht ein bisschen. Marathon hat manchmal ähnliche Phasen, wie man sie auch auf ‟šSteel umbrellas‛ finden konnte. Sagen wir‛s mal so: Marathon ist wie ‟šHouse of cards‛ versehen mit einem ‟šslight twist‛ (Originalton Michael). Ein Beispiel hierfür ist der Song ‟šRise and shine‛. Ich kann noch nicht mal sagen, wie dieser Song genau entstanden ist. Ian (Crichton) hat ihn auf Gitarre geschrieben. Als ich ihn das erste Mal gehört habe, wusste ich: Das muss auf die Platte! Klar es gibt kaum einen Song, der weniger nach SAGA klingt, als ‟šRise and shine‛. Dennoch hat dieses Lied etwas ich kann nicht erklären was. Es ist musikalisch nicht besonders anspruchsvoll, hat eine gängige Melodie‟¦

Melodic Journey: ‟¦ich glaube aber, dass gerade Tracks wie ‟šRise and shine‛, bei denen man nicht weiss warum sie einen so faszinieren, die besten sind, oder ?

Michael: Vielleicht ist es auch deswegen mein Favorit auf Marathon. Wenn man stunden- oder tagelang über einen Song brütet, wird das oft nichts. Ein Track muss sich wie ‟šRise and shine‛ selbst entwickeln. Tut er das nicht vergiss es! Mach mit was anderem weiter. Das haben wir mit SAGA gelernt.

Melodic Journey: Man hört, dass Du sehr zufrieden bist mit Marathon.

Michael: Ja, das stimmt. Ich würde Marathon mit einer Schulfibel vergleichen. Mit dem ersten Buch, das man bekommt, um daraus die Grundlagen zu lernen. Für diejenigen, die SAGA nur vom Namen her kennen und die Musik erst entdecken müssen. Marathon ist ein hervorragender Einstieg, um die Musik von SAGA zu verstehen.

Melodic Journey: Warum habt Ihr das Album Marathon getauft ? Seht Ihr SAGA auf einem Marathonlauf jetzt oder in der Vergangenheit ?

Michael: Vielleicht‟¦ (lacht). Der Titel Marathon soll keinen negativen Touch haben. Wenn man sich auf einem Marathon befindet, hat man ein Ziel. Dieses wird man früher oder später erreichen. Doch daran denkt man nicht ständig man läuft einfach. Und das Laufen, der Weg zum Ziel, sollte Spass machen, nicht stressen.

Ich sehe darin auch mich selbst. Ich habe eine Familie und konnte mein Hobby zum Beruf machen. Wer sonst ist schon in dieser überaus glücklichen Lage ? Also: So lange SAGA immer wieder auf‛s neue inspiriert wird, laufen wir auch. In dem Moment, in dem ich diesen Spirit nicht mehr fühle, kein Lampenfieber vor einem Auftritt empfinde, kann ich aufhören. Dann wäre es nur noch ein Job. Ich würde zu mir sagen: „Okay, ein weiteres Konzert. Spiel‛ ein paar Lieder, dann zähl‛ das Geld und geh nach Hause.‟ Das wäre doch nur noch lächerlich, oder ?

Melodic Journey: Man sollte das tun, was man auch fühlt.

Michael: Das muss aus dem Herzen kommen. Nur so funktioniert es.

Melodic Journey: Der Titel Marathon lässt vermuten, dass jemand aus der Band Marathonläufer ist‟¦ (Michael lacht)

Michael: Wir halten uns auf der Bühne fit. Ein Marathonläufer ist nicht unter uns.

Melodic Journey: Was machst Du außerhalb von SAGA ? Auf deiner Homepage gibt z.B. was über ein Soloprojekt zu lesen.

Michael: Wir alle haben Aktivitäten außerhalb von SAGA. Und es ist auch wichtig für die Kreativität, sich musikalisch anderweitig zu engagieren. Ich mache schon seit Jahren viele verschiedene Dinge. So war ich tatsächlich auch schon als Background-Sänger bei Ozzy Osbourne zu hören. Vor einiger Zeit habe ich eine über das Internet zu beziehende CD mit 7 Tracks speziell für Fans produziert. Und das von Dir erwähnte Solo-Projekt ist in Arbeit. Ich würde es gerne nach der Tour bis Ende des Jahres abschließen. Dennoch: SAGA ist und bleibt mein musikalischer Mittelpunkt.

Melodic Journey: Wie beurteilst Du derzeit die Musikszene ? Viele Leute sagen, dass Geld eine viel zu große Rolle spielt und dass es keine Kreativität mehr gibt.

Michael: Das ist genau der Punkt. Den Zustand der Musikszene heute kann man mit einem einzigen Wort umschreiben: Konfusion. Das Publikum ist konfus. Die Plattenfirmen sind konfus. Neue Technologien eröffnen neue musikalische Horizonte. Gleichzeitig bieten sie aber auch Freiheiten für den Konsumenten z.B. für den Download von Musik. Wohin dies alles führt kann heute niemand vorhersagen.

Das mit der Konfusion war besonders bei der letzten Grammy-Verleihung zu sehen: Wer bitteschön ist Norah Jones ? Diese Frage war von allen Seiten zu hören. Die Frau räumt 6 oder 8 Grammys ab, aber keiner kennt sie. Als ich sie dann endlich mal bei einem Auftritt sah, saß sie an einem Klavier und sang. Tolle Melodie, tolles Lied ein menschliches Wesen, das nichts weiter tat, als ein Instrument zu spielen und zu singen. Faszinierender Weise wirkte das auf das Publikum so erfrischend‟¦

Weißt Du was ich denke ? Die Leute sind die in der Konserve produzierte Musik, künstliche Sounds oder nur von Computern gemachte Musik, Boygroups und Retortenbands einfach leid. Das Publikum ist nicht so dumm, wie manche Verantwortliche denken.Vielleicht erleben wir auf der Marathon-Tour gerade deswegen ein kleines Revival oder erwecken mit unserer Musik neues Interesse.

Melodic Journey: Da macht es ja wirklich Hoffnung, dass wie Du schon zu Beginn des Interviews sagtest auch ein neues Publikum die Musik von SAGA entdeckt.

Michael: Ja, das stimmt. Und ich bin immer wieder erstaunt, dass die jungen Leute nicht nur zuhören, sondern auch die Texte mitsingen.

Melodic Journey: Dann bleibt mir nur noch, Dir auch weiterhin alles Gute für die noch verbleibenden Konzerte der Marathon-Tour zu wünschen und mich für das nette Gespräch zu bedanken.


Interview vom 18.03.2003, Thomas Schlegel

Quelle: http://www.melodicjourney.com/html/interviewsaga.html

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